Mittwoch, 28. Mai 2008

schöne neue welt

hier bin ich wieder, früher als angemeldet. wahrscheinlich ist jetzt wieder grad keiner da, aber der juni ist nicht mehr fern, und es ruft die pflicht! ich habe schönes zu berichten – aber auch abscheuliches. das abscheuliche kommt zuerst: es regnet! und es schneit! der regen wäscht die luft wie persil, die luft wird sauber (oder so ähnlich), und plötzlich kommen berge zum vorschein, von denen man nicht gewusst hat, dass sie existieren in diesem gelben dreck, der normalerweise über santiago schwebt. verschneite andengipfel sind ja etwas sehr schönes, wenn nicht die chilenen wären, die ihre häuser nicht winterfest bauen könne. die fenster beschlagen, meine brille auf dem nachttisch auch, und es ist soweit gekommen, dass ich mein zimmer mit dem fön
heize. zentralheizung kennt man hier nicht, und wenn, dann wird sie nicht angerührt, weil zu teuer. statt dessen wird mit billigen kleinen gasöfen geheizt, die die temperatur der umliegenden 2 quadratmeter erträglich machen, aber mehr auch nicht. es ist ein kreuz! noch dazu meinen studienkollegen höhnisch, dass es im winter jeden tag regnet. meterbreite bäche rinnen die straßen hinunter, sodass man sie kaum überqueren kann, und vor unserem haus hat sich ein hübscher kleiner see gebildet, den man irgendwie überwinden muss, will man zur haustüre raus.
ich bin also zur haustüre raus und in den regen, zur haltestelle. da stand eine handvoll leute im regen, bald schon waren wir eine ganze schulklasse. ein bus kam und fuhr vorbei, glückliche fahrgäste lachten uns aus dem fenster heraus aus. nach vierzig minuten und sieben bussen blieb dann endlich einer stehen, der zumindest die hälfte von uns mitnahm. in der metro war es nicht viel besser, es teilen sich ca. 100 leute einen quadratmeter, was zur folge hat, dass man immer ein bisschen kompakter rauskommt, als man reingegangen ist – kein problem für mich, habe ich doch, als ich letztens in den spiegel schaute, eine verblüffende ähnlichkeit mit britney spears festgestellt. faszinierend! das liegt vielleicht daran, dass es bei meinem freund immer amerikanisches frühstück gibt: cola, kekse, chips und schokolade. aber man würde ja nicht glauben, wie gut mir ein doppelkinn steht, wenn man es nicht gesehen hat!
nach dreieinhalb stunden bus und metro und regen und bus und regen war ich dann endlich am meer, ausgangspunkt für meinen bisher schönsten ausflug hier (aber das sage ich ja jedesmal): das valle elqui. im valle (tal) elqui herrscht ein mikroklima, das mir sehr genehm ist: subtropische hitze mitten in den anden! das valle elqui ist sehr fruchtbar, es gibt granatäpfel. trauben, quitten und überhaupt alles. außerdem gibt es einen himmel mit sternen, den es nur theoretisch überall gibt, und der himmel ist so schön, dass wir ein sog. "sternenfenster" über unserem bett hatten, durch welches man nachts, wenn einem langweilig war, die sterne betrachten konnte und ufos suchen. im valle elqui leben nämlich neben den bauern auch jede menge hippies, esoteriker und leute, die an ufos glauben und im magischen valle elqui mit dem sternenhimmel kontakt zu außerirdischen aufnehmen möchten. man darf in chile auf keinen fall darüber lachen, denn die meisten chilenen glauben an ufos, also muss man so tun, als wäre das normal, sonst sind sie beleidigt.
wir waren eine nacht in la serena am meer, mit kilometerlangen fast menschenleeren sandstränden und herrlichen temperaturen, und danach in pisco elqui, wo ich mich sehr daheim fühlte (die berge!). nur, was mir vorarlberg vielleicht auch nicht schlechttäte, wär grillen unter zitronenbäumen, kolibris, die beim frühstück vor dem fenster tanzen und ziegenkäsepizza mitten in der nacht und ein pool mit bergblick. ich weiss nun also, wo ich meinen lebensabend verbringen werde, wie schade, dass erst morgen ist!
das tolle an chile ist ja, dass man berge und meer gleich nebeneinander hat. das ist teilweise fast schon komisch, wenn man
so hoch oben in den bergen ist, dass man die höhe spürt, und zwei stunden später in einer bunten seemannskneipe am windigen meer sitzt und meeresfrüchte isst. dabei habe ich auch wieder eine einzigartige kulinarische entdeckung gemacht, die mir, wenn es nach mir ginge, lieber verborgen geblieben wäre: seeigel. aussehen tut es wie sehr eklige orange zungen von gar unheimlichen tieren, und schmecken tut es so, wie es ausschaut, und nicht, wie es heisst: karamell der götter? naja.
ansonsten ist nichts passiert, kein erdbeben, kein schneerutsch, kein tsunami, keine schandtaten in österreich. ich werde mich aber natürlich, sobald ein ereignis dieser oder ähnlicher art eintritt, entsprechend äußern, und verbleibe derweil mit
freundlichen grüßen (in wahrheit bin ich aber furchtbar neidisch auf die 33 ° in österreich),
bianca

Montag, 5. Mai 2008

die wahrheit über das grausame leben am ende der welt

da sich in letzter zeit die beschwerden, ich sei ein fauler hund und täte nix schreiben, wieder gehäuft haben, will ich an diesem düsteren abend wieder mal bericht erstatten aus dem schönen chile. der winter bricht an, und meine füße werden kalt, vulkane brechen aus, und die küste, an der ich momentan überdurchschnittlich viel zeit mit meinem freund, der eine abstellkammer am meer hat, verbringe, ist nachts neblig und wüst, sodass man versteht, dass dieser ort nicht ohne grund als das ende der welt bezeichnet wird. ich habe mir dieses wochendende mit einer schokolade namens sahne-nuss und anderen chilenischen und peruanischen süßigkeiten fett für den winter angefressen. ich wiege jetzt zehn kilo mehr, und meine zähne sind schon ganz schwarz, aber das macht nichts, denn ich vergrabe mich die meiste zeit in meinem zimmer. an die uni trau ich mich kaum mehr, die leute aus meiner klasse wechseln die straßenseite, wenn sie mich sehen und beschmeißen mich im unterricht mit papierkügelchen, die auslandsösterreicher unter euch ahnen schon, warum: obwohl ich sehr gut getarnt war, hat mich meine professorin heute nachmittag auf der straße erwischt und mich im auto mitgenommen. sie habe dieses wochenende oft an mich gedacht, gestand sie mir, während wir durch die schönen palmenalleen fuhren, es war ein sonniger tag, und ich dachte mir nichts böses, vielleicht haben ja meine arbeiten bei ihr eindruck hinterlassen? da sagt sie: amstetten.
ja, so sieht das in etwa aus bei uns. auch sonst gibt es nichts gutes zu berichten. mein ipod, mein ibook und meine brille sind kaputtgegangen, dazu habe ich noch meine schöne peruanische geldtasche verloren. nun arbeite ich halt mehr schlecht als recht mit einem display, das sich dazu entschlossen hat, sich zur rechten hälfte der modernen kunst zu widmen. das nämlich dachte ich in der ersten sekunde, als ich mein ibook so sah und bevor ich realisierte, dass da nicht einfach nur ein schönes buntes bild, sondern das ibook ganz schön kaputt war.
passiert ist das ganze im auto auf dem rückweg vom schönen meer in die grausame stadt santiago, wo mein freund irgendwas gemacht hat, dass meine tasche und ihren inhalt zerdrückt hat, was, habe ich nicht so genau verstanden hinter meinem tränenschleier. er hat gesagt, dass er mir ein neues kauft, aber ich war trotzdem so untröstlich und bin es immer noch, dass mich nur das reisehoroskop stier+jungfrau aufheitern konnte. ich (jungfrau) werde nämlich nach diesem unsäglichen semester mit anna (stier) eine reise machen, die wir angeblich minutiös planen werden und die keine überraschungen bieten wird. ich bin dafür, dass wir das ganze am besten mit excel planen, eine wahrsagerin konsultieren und vielleicht doch darüber nachdenken sollten, ob wir die reise nicht besser ins salzkammergut, wo es ja auch sehr schön sein soll, verlegen sollen. außerdem ist es schon in zwei monaten soweit, und ich weiß immer noch nicht, wann sie kommt, das macht mich richtig nervös! so geht das nicht!
da ich nun ohne jegliche unterhaltungselektronik und überhaupt ganz arm dastehe, weil das schöne land österreich behauptet, ich sei zu reich für ein stipendium und mich damit in den finanziellen ruin treibt, habe ich eine gutbezahlte praktikantenstelle angenommen bei einer deutsch-chilenischen heiratsvermittlung, wo ich die aufgabe habe, bewerberfotos zu retuschieren und rechtschreibfehler in liebesbriefen von grammatikschwachen heiratswilligen zu korrigieren. in wahrheit arbeite ich bloß, weil ich keine geld zu reisen habe, krieg nicht mal einen kaffee dafür, aber darf dafür mit drei kameras durch die stadt des grauens und des nieselregens laufen und fotos schießen, mit denen potenzielle touristen angelockt werden sollen. seit mich eine marktfrau in la paz angebrüllt hat, bin ich eine sehr schüchterne fotografin und fotografiere nur mehr katzenkopfpflaster und rasensprenger. ich habe furchtbare angst, damit den chilenischen touristmus zu ruinieren, aber meine arbeit will ich nun doch auch nicht verlieren, man hat ja gehört, was mit menschen passiert, wenn sie in pension gehen und so.
nun ja, so ist das eben. der heitere teil dieses textes endet hiermit, denn ich muss euch nun mitteilen, dass ich nicht mehr nach österreich zurückkehren werde - meine flugangst ist einfach zu groß, und seit ich erfahren habe, was für ekliges getier sich im meer tummelt, ist auch eine kreuzfahrt keine option mehr für mich. vielleicht werden eines tages mamas spinatknödel motivation genug sein, es mit dem weg über die beringstraße zu versuchen. vielleicht...
ich muss euch nun allen ein lebewohl sagen, und wenn ihr abends in euren gut isolierten wohnungen vor euren macbooks sitzt, eure 200GB-ipods aufladet und und leckere tiefkühlpizza esst – denkt an mich und an die tausenden anderen österreicher in chile, die nicht dem mut haben, sich der nachwelt mitzuteilen so wie ich und still leiden.
da ich mir nun sicher bin, zumindest die hälfte einer schönen metapher, nach der sich der erfolg in zwei sehr unterschiedlichen, aber von einem großen teil der menschheit gleich stark begehrten lebensbereichen quasi naturgesetzmäßig konträr gegenüberstehen, doch verständlich rübergebracht zu haben, sehe ich mich nun bis anfang juni vom blogschreiben befreit und tausendfach entschuldigt.
auf wiedersehn.