Freitag, 25. Juli 2008

the blogs very last eintrag

gemaess meinen eigenen strengen regeln duerfte ich ja gar nichts mehr schreiben, da ich ja laengst fertig bin mit meinem auslandssemester, aber da ich mich noch nicht gebuehrend und hoeflich von den drei leuten, die diesen blog lesen, verabschiedet habe, denke ich, dass man doch eine ausnahme machen koennte. ich bin laengst raus aus der stadt des grauens, wo mich noch zum schluss die nachricht aus glaubwuerdiger quelle erreichte, ich haette an einer opus-dei-uni studiert, was im nachhinein vieles, wenn nicht alles erklaert, und im wundervollen buenos aires angekommen. argentinien, paraguay, uruguay und 1% brasilien warten auf uns oder auch nicht. die verschneiten anden sind ueberquert, die welt ist schoen, und ich werde nun fuer immer schweigen in diesem blog.
wer trotzdem wissen moechte, ob ich noch lebe oder schon tot bin, muss mir jetzt halt ein mail schreiben, und wenn ich noch nicht an denguefieber erkrankt bin, antworte ich auch.
ansonsten wuensche ich euch und mir eine gute zeit und sehe mit einem lachenden und einem weinenden auge einem wiedersehen im oktober entgegen.

auf wiedersehen!

Mittwoch, 18. Juni 2008

ein ganz unnoetiger bericht, in dem ausserdem nicht die wahrheit erzaehlt wird

hallo allerseits, langsam fuehle ich mich aber auch richtig einsam hier in der blogosphaere, und auch ich werde bald diesen blog verlassen und zurueck in mein reisetagebuch schweben.
es ist die zeit der examen: ich habe sehr viel arbeit, was auch erklaert, warum ich hier schreibe, obwohl ich gar nichts zu sagen habe. mit einer konklusion will ich noch gar nichts am hut haben, denn wer weiss, ob nicht in den letzten drei wochen doch noch was weltbewegendes passiert?
so werde ich ein wenig uebers chilenische volk erzaehlen, von dem ich ja quasi nur die "bessere haelfte" kennengelernt habe. vielleicht sollte ich auch einfach von der "santiaguinischen" upperclass sprechen, den chile ist geil und santiago so lala und von daher naturgemaess ganz anders. man muss sich das so vorstellen, dass man unter einem vulkan lebt (der schon seit ein paar millionen jahren nicht mehr spucken mag, was meiner ansicht eher dafuer spricht, dass er bald wieder mal lust kriegt, dann werden sie schon sehen, was sie davon haben, eine 6-millionen-stadt unter einen vulkan zu bauen!) und um den oberen teil der stadt ein unsichtbarer stacheldrahtzaun gezogen worden ist, den man nur mit einer busfahrt unter haertesten bedingungen ueberwinden kann.
zwischen dem zentrum und den habitationen mit den hunden&elektrozaeunen liegt ein schoenes viertel namens providencia, in dem auch gerne reichere leute wohnen, allerdings klingt es hier schon sehr urban, es gibt auch viele nette bars und das nachtleben tobt und wenn es dunkel wird, sind die gehsteige noch voll und die geschaefte noch weit geoffnet, und trotzdem fuerchten sich gewisse leute diesseits vom stacheldrahtzaun, abends um acht dieses trottoir zu betreten. manche fragen auch, ob ich jemals den stacheldraht ueberwunden habe und ins zentrum gegangen bin. die mutigeren ihrerseits fragen, ob ich mich denn wirklich traue, hier zu fotografieren. und ob! in santiago leben viele verkannte modeltalente, die einem von allen seiten vor die kamera laufen und sich ablichten lassen, es ist ein traum und macht immer viel spass, obwohl die meisten dieser bilder unerklaerlicherweise etwas verschwommen sind.
andere wiederum meinen, europa sei halt "ein groesseres land als chile" und deswegen liberaler, das restliche europabild zeichnet ihnen das mtv.
die gleichen leute ungefaehr sind der meinung, pinochet sehr gern zu haben, weil der allende ihrem opa das land weggenommen hat. das mit den morden war zwar nicht ok, aber sonst war ja nicht alles schlecht in dieser zeit (vielleicht hat er auch autobahnen gebaut). die reichen moegen pinochet, sagen sie, um im naechsten moment zu betonen, dass sie uebrigens nicht reich seien.
ausserdem ist es wichtig, dass man einen pool und eine nana hat (und das ganze haus mit teppichboden bezogen ist, aber das hat andere, unerklaerliche gruende). eine nana ist eine frau, die den haushalt macht und die kinder erzieht und dafuer mit fuerstlichen 200 euro belohnt wird. fuer eine schachtel zigaretten, habe ich gehoert, raeumt sie manchen studentinnen auch ihr zimmer auf. es leben kleine kinder unter der bruecke.
von aussen betrachtet sieht alles ganz modern aus: die infrastruktur ist zumindest in besagten teilen da, wenn man aber mal reingeht, merkt man, dass maedels, die sich in ihrem kleidungsstil gerne der vivienne westwood annaehern, innen drin so verstaubt sind wie mein opa. es regiert die kath. kirche, wenn die regierung etwas entscheidet, bittet man noch die herren geistlichen zur wortspende im tv, also ne!
bis vor wenigen jahren war scheidung verboten, heute wollen sich brave apotheken weigern, die pille danach zu verkaufen, abtreibung ist unter ALLEN umstaenden verboten. pfui sowas!
das waren die mehr oder wenigen grausigen seiten der oder dieser chilenen, in deren umfeld ich mich halt die meiste zeit bewege: man muss aber auch sagen, dass diese chilenen, die im uebrigen fast durchgehend hellhaeutig sind, ihre bezirke selbst als eher europaeisch ( nun ja: ich wuerde sagen, us-amerikanisch) bezeichnen.
ich war noch nie in einem land, in dem die leute sich so liebenswuerdig und herzlich gegenueber auslaendern verhalten haben. wenn man etwas nicht weiss und wissen will, sehen sie das oft und helfen einem, ohne dass man etwas sagen muss.
als auslaenderIn ist man grundsaetzlich interessant: von diversen papierverkaeufern bis zu passanten auf der strasse, die mich fatalerweise nach dem weg fragen, wollen alle gleich alles wissen, woher man ist, warum man hier ist, wie lange man hier ist, was man schon kennt etc. die kehrseite der medaille ist, dass ich oft das gefuehl habe, gewisse saetze schon auswendig zu sprechen und dabei fast einschlafe. man hat wirklich das gefuehl, willkommen zu sein. menschen, die man nicht kennt, wuenschen einem zum abschied alles gute in allen erdenklichen versionen.
vielleicht liegt es auch daran, dass ich mich nie sehr fremd hier gefuehlt habe. nur waer ich halt lieber am meer als in santiago, der dreckigsten stadt der welt, wo man die hand vor den augen nicht mehr sieht vor lauter dreck.
letztens war ich im oeffentlichen spital, um mir meine lezte impfung geben zu lassen. es muss einmal ein schoenes gebaeude gewesen sein, so vor hundert jahren. seit damals hat man an der urwaldklinik scheinbar nichts mehr geaendert - so zerbroeckelt der boden und brechen teile der decke heraus, aber mutig wie ich war, bin ich trotzdem hineingegangen, obwohl mir das architektonische gesamtbild nicht unbedingt den eindruck von sterilitaet vermittelt hat.
ganz zusammenhangslos moechte ich zuletzt noch berichten, dass mir der vor einer woche "geimpfte" arm sehr wehtut, aber vielleicht sind das auch phantomschmerzen und den arm gibt es gar nicht mehr. und, wie es schon leute, die immer ein bisschen mehr wissen als wir, verkuenden: impfen ist sowieso scheisse und ein rechter spuk und hilft auch nix! also bin ich selber schuld und verbleibe untertaenigst vor diesen allwissenden geistern.

bianca

Mittwoch, 28. Mai 2008

schöne neue welt

hier bin ich wieder, früher als angemeldet. wahrscheinlich ist jetzt wieder grad keiner da, aber der juni ist nicht mehr fern, und es ruft die pflicht! ich habe schönes zu berichten – aber auch abscheuliches. das abscheuliche kommt zuerst: es regnet! und es schneit! der regen wäscht die luft wie persil, die luft wird sauber (oder so ähnlich), und plötzlich kommen berge zum vorschein, von denen man nicht gewusst hat, dass sie existieren in diesem gelben dreck, der normalerweise über santiago schwebt. verschneite andengipfel sind ja etwas sehr schönes, wenn nicht die chilenen wären, die ihre häuser nicht winterfest bauen könne. die fenster beschlagen, meine brille auf dem nachttisch auch, und es ist soweit gekommen, dass ich mein zimmer mit dem fön
heize. zentralheizung kennt man hier nicht, und wenn, dann wird sie nicht angerührt, weil zu teuer. statt dessen wird mit billigen kleinen gasöfen geheizt, die die temperatur der umliegenden 2 quadratmeter erträglich machen, aber mehr auch nicht. es ist ein kreuz! noch dazu meinen studienkollegen höhnisch, dass es im winter jeden tag regnet. meterbreite bäche rinnen die straßen hinunter, sodass man sie kaum überqueren kann, und vor unserem haus hat sich ein hübscher kleiner see gebildet, den man irgendwie überwinden muss, will man zur haustüre raus.
ich bin also zur haustüre raus und in den regen, zur haltestelle. da stand eine handvoll leute im regen, bald schon waren wir eine ganze schulklasse. ein bus kam und fuhr vorbei, glückliche fahrgäste lachten uns aus dem fenster heraus aus. nach vierzig minuten und sieben bussen blieb dann endlich einer stehen, der zumindest die hälfte von uns mitnahm. in der metro war es nicht viel besser, es teilen sich ca. 100 leute einen quadratmeter, was zur folge hat, dass man immer ein bisschen kompakter rauskommt, als man reingegangen ist – kein problem für mich, habe ich doch, als ich letztens in den spiegel schaute, eine verblüffende ähnlichkeit mit britney spears festgestellt. faszinierend! das liegt vielleicht daran, dass es bei meinem freund immer amerikanisches frühstück gibt: cola, kekse, chips und schokolade. aber man würde ja nicht glauben, wie gut mir ein doppelkinn steht, wenn man es nicht gesehen hat!
nach dreieinhalb stunden bus und metro und regen und bus und regen war ich dann endlich am meer, ausgangspunkt für meinen bisher schönsten ausflug hier (aber das sage ich ja jedesmal): das valle elqui. im valle (tal) elqui herrscht ein mikroklima, das mir sehr genehm ist: subtropische hitze mitten in den anden! das valle elqui ist sehr fruchtbar, es gibt granatäpfel. trauben, quitten und überhaupt alles. außerdem gibt es einen himmel mit sternen, den es nur theoretisch überall gibt, und der himmel ist so schön, dass wir ein sog. "sternenfenster" über unserem bett hatten, durch welches man nachts, wenn einem langweilig war, die sterne betrachten konnte und ufos suchen. im valle elqui leben nämlich neben den bauern auch jede menge hippies, esoteriker und leute, die an ufos glauben und im magischen valle elqui mit dem sternenhimmel kontakt zu außerirdischen aufnehmen möchten. man darf in chile auf keinen fall darüber lachen, denn die meisten chilenen glauben an ufos, also muss man so tun, als wäre das normal, sonst sind sie beleidigt.
wir waren eine nacht in la serena am meer, mit kilometerlangen fast menschenleeren sandstränden und herrlichen temperaturen, und danach in pisco elqui, wo ich mich sehr daheim fühlte (die berge!). nur, was mir vorarlberg vielleicht auch nicht schlechttäte, wär grillen unter zitronenbäumen, kolibris, die beim frühstück vor dem fenster tanzen und ziegenkäsepizza mitten in der nacht und ein pool mit bergblick. ich weiss nun also, wo ich meinen lebensabend verbringen werde, wie schade, dass erst morgen ist!
das tolle an chile ist ja, dass man berge und meer gleich nebeneinander hat. das ist teilweise fast schon komisch, wenn man
so hoch oben in den bergen ist, dass man die höhe spürt, und zwei stunden später in einer bunten seemannskneipe am windigen meer sitzt und meeresfrüchte isst. dabei habe ich auch wieder eine einzigartige kulinarische entdeckung gemacht, die mir, wenn es nach mir ginge, lieber verborgen geblieben wäre: seeigel. aussehen tut es wie sehr eklige orange zungen von gar unheimlichen tieren, und schmecken tut es so, wie es ausschaut, und nicht, wie es heisst: karamell der götter? naja.
ansonsten ist nichts passiert, kein erdbeben, kein schneerutsch, kein tsunami, keine schandtaten in österreich. ich werde mich aber natürlich, sobald ein ereignis dieser oder ähnlicher art eintritt, entsprechend äußern, und verbleibe derweil mit
freundlichen grüßen (in wahrheit bin ich aber furchtbar neidisch auf die 33 ° in österreich),
bianca

Montag, 5. Mai 2008

die wahrheit über das grausame leben am ende der welt

da sich in letzter zeit die beschwerden, ich sei ein fauler hund und täte nix schreiben, wieder gehäuft haben, will ich an diesem düsteren abend wieder mal bericht erstatten aus dem schönen chile. der winter bricht an, und meine füße werden kalt, vulkane brechen aus, und die küste, an der ich momentan überdurchschnittlich viel zeit mit meinem freund, der eine abstellkammer am meer hat, verbringe, ist nachts neblig und wüst, sodass man versteht, dass dieser ort nicht ohne grund als das ende der welt bezeichnet wird. ich habe mir dieses wochendende mit einer schokolade namens sahne-nuss und anderen chilenischen und peruanischen süßigkeiten fett für den winter angefressen. ich wiege jetzt zehn kilo mehr, und meine zähne sind schon ganz schwarz, aber das macht nichts, denn ich vergrabe mich die meiste zeit in meinem zimmer. an die uni trau ich mich kaum mehr, die leute aus meiner klasse wechseln die straßenseite, wenn sie mich sehen und beschmeißen mich im unterricht mit papierkügelchen, die auslandsösterreicher unter euch ahnen schon, warum: obwohl ich sehr gut getarnt war, hat mich meine professorin heute nachmittag auf der straße erwischt und mich im auto mitgenommen. sie habe dieses wochenende oft an mich gedacht, gestand sie mir, während wir durch die schönen palmenalleen fuhren, es war ein sonniger tag, und ich dachte mir nichts böses, vielleicht haben ja meine arbeiten bei ihr eindruck hinterlassen? da sagt sie: amstetten.
ja, so sieht das in etwa aus bei uns. auch sonst gibt es nichts gutes zu berichten. mein ipod, mein ibook und meine brille sind kaputtgegangen, dazu habe ich noch meine schöne peruanische geldtasche verloren. nun arbeite ich halt mehr schlecht als recht mit einem display, das sich dazu entschlossen hat, sich zur rechten hälfte der modernen kunst zu widmen. das nämlich dachte ich in der ersten sekunde, als ich mein ibook so sah und bevor ich realisierte, dass da nicht einfach nur ein schönes buntes bild, sondern das ibook ganz schön kaputt war.
passiert ist das ganze im auto auf dem rückweg vom schönen meer in die grausame stadt santiago, wo mein freund irgendwas gemacht hat, dass meine tasche und ihren inhalt zerdrückt hat, was, habe ich nicht so genau verstanden hinter meinem tränenschleier. er hat gesagt, dass er mir ein neues kauft, aber ich war trotzdem so untröstlich und bin es immer noch, dass mich nur das reisehoroskop stier+jungfrau aufheitern konnte. ich (jungfrau) werde nämlich nach diesem unsäglichen semester mit anna (stier) eine reise machen, die wir angeblich minutiös planen werden und die keine überraschungen bieten wird. ich bin dafür, dass wir das ganze am besten mit excel planen, eine wahrsagerin konsultieren und vielleicht doch darüber nachdenken sollten, ob wir die reise nicht besser ins salzkammergut, wo es ja auch sehr schön sein soll, verlegen sollen. außerdem ist es schon in zwei monaten soweit, und ich weiß immer noch nicht, wann sie kommt, das macht mich richtig nervös! so geht das nicht!
da ich nun ohne jegliche unterhaltungselektronik und überhaupt ganz arm dastehe, weil das schöne land österreich behauptet, ich sei zu reich für ein stipendium und mich damit in den finanziellen ruin treibt, habe ich eine gutbezahlte praktikantenstelle angenommen bei einer deutsch-chilenischen heiratsvermittlung, wo ich die aufgabe habe, bewerberfotos zu retuschieren und rechtschreibfehler in liebesbriefen von grammatikschwachen heiratswilligen zu korrigieren. in wahrheit arbeite ich bloß, weil ich keine geld zu reisen habe, krieg nicht mal einen kaffee dafür, aber darf dafür mit drei kameras durch die stadt des grauens und des nieselregens laufen und fotos schießen, mit denen potenzielle touristen angelockt werden sollen. seit mich eine marktfrau in la paz angebrüllt hat, bin ich eine sehr schüchterne fotografin und fotografiere nur mehr katzenkopfpflaster und rasensprenger. ich habe furchtbare angst, damit den chilenischen touristmus zu ruinieren, aber meine arbeit will ich nun doch auch nicht verlieren, man hat ja gehört, was mit menschen passiert, wenn sie in pension gehen und so.
nun ja, so ist das eben. der heitere teil dieses textes endet hiermit, denn ich muss euch nun mitteilen, dass ich nicht mehr nach österreich zurückkehren werde - meine flugangst ist einfach zu groß, und seit ich erfahren habe, was für ekliges getier sich im meer tummelt, ist auch eine kreuzfahrt keine option mehr für mich. vielleicht werden eines tages mamas spinatknödel motivation genug sein, es mit dem weg über die beringstraße zu versuchen. vielleicht...
ich muss euch nun allen ein lebewohl sagen, und wenn ihr abends in euren gut isolierten wohnungen vor euren macbooks sitzt, eure 200GB-ipods aufladet und und leckere tiefkühlpizza esst – denkt an mich und an die tausenden anderen österreicher in chile, die nicht dem mut haben, sich der nachwelt mitzuteilen so wie ich und still leiden.
da ich mir nun sicher bin, zumindest die hälfte einer schönen metapher, nach der sich der erfolg in zwei sehr unterschiedlichen, aber von einem großen teil der menschheit gleich stark begehrten lebensbereichen quasi naturgesetzmäßig konträr gegenüberstehen, doch verständlich rübergebracht zu haben, sehe ich mich nun bis anfang juni vom blogschreiben befreit und tausendfach entschuldigt.
auf wiedersehn.

Samstag, 12. April 2008

sankt anton am pazifik

tja, meine hoffnungen haben sich leider zerschlagen, und demütigst bin ich wieder zurückgekehrt zu meinem flan und meinem brot. aber vor heute kommt ja immer noch gestern, und das gestern war ein scheußlich kalter tag, an dem ich froh war um das ganze alpacazeugs, das ich mir in bolivien gekauft hatte. es ist ja auch ein wahnsinn hier. vorgestern habe ich noch in der sonne gebadet, gestern rannte ich schon im wollpullover herum. ich sehe es nicht ein, dass es hier einen winter gibt. dauern hoffe ich, dass sich die chilenen trotz jahrzehntelanger erfahrung irgendwie irren, wenn sie behaupten, dass es bald schneit, aber ich fürchte und spüre immer mehr, dass ich mit dieser einstellung nicht weit komme.
gestern hatten wir damenbesuch. eine der damen, beatrice, hatte einen wiener vater und hat als kind einmal deutsch gesprochen, aber wieder verlernt.schlimm, eine sprache zu vergessen. jedenfalls wollte sie mich kennenlernen, und ich durfte mich an ihren reich gedeckten tisch setzen. lucia hat mich daraufhin vorgeführt wie eine dame ohne unterleib, ich glaube, ein bisschen stolz war sie trotzdem, so ein exotisches österreichisches exponat unter ihrem dach zu beherbergen. alles, was sie sagte, klang, typisch für sie, wie eine mathematische formel oder anklage, je nach dem: sie hört keine musik(!) und schaut nie fern! sie ist agnostikerin! sie trägt keine hausschuhe! sie mag keine schokolade/avocado/blabla! sie hört nicht auf mich!
ich wundere mich immer wieder, wie manche menschen behaupten können, etwas existiere nicht, nur weil sie es nicht sehen können. das sind übrigens, ist mir aufgefallen, meistens die gleichen menschen, die auch glauben, dass etwas bestimmtes existiert, das sie aber nicht sehen können, also sehr verwirrend, das ganze.
jedenfalls drohten die drei damen später, sie würden nach österreich kommen und ich sollte dann bitteschön fesche freunde meines vaters für sie bereitstellen, je nach wunsch zwanzig jahre älter bzw. 30 jahre jünger als sie. die beatrice zeigte dann fotos von mailand, nürnberg und wien, aber die männer blieben das lieblingsthema, wie immer.
jedensmal, wenn ich heimkomme, fragt mich lucia mit einem grinsen, ob ich denn (endlich) einen mann gefunden hätte. sie behandelt mich wie die blue roses in the glass menagerie. wenn ich armes schwein dann sage, aber ich will ja gar keinen freund, muss ich mir bei anderer gelegenheit anhören: du hast angst vor männern, stimmts?
jedenfalls ging es dann um folgende fragen: wie verführt ein österreichischer mann eine frau? wie lange dauert es, bis man miteinander ins bett geht? einen tag? ich war die ganze zeit am lachen. ältere damen sind echt die härte, wenn sie unter sich sind. so kam es auch, dass sie erst gegen zwölf und nachdem ich ihnen versprochen hatte, dereinst mit ihnen auszugehen, verschwanden.
deshalb fuhr ich erst gegen mittag nach san antonio. san antonio ist eine hässliche stadt mit einem noch hässlicheren, aber sehr wichtigen hafen und einem fischermarkt. der fischermarkt war wirklich klasse: eine windschiefe hütte, in die regelmäßig gewaltige wellen einbrechen, lustige fischverkäufer mit weißen gummistiefeln und jede menge fisch und muscheln und mir unbekanntes, höchst seltsames meeresgetier. es war sehr, sagen wir mal, pittoresk. das tollste aber waren die seelöwen und die pelikane, ein symbiotisches gespann, das sich rund um den hafen herumtrollte und die man mit fischköpfen für ca. 15 cent füttern konnte. faszinierende viecher! nach einer kleiner hafenrundfahrt, die mich an eine andere rundfahrt in essaouira erinnerte (überhaupt alles!), wo mir nur noch eine bestimmte person fehlte, war das wasser in meinem körper mehr fest als flüssig, und ich ging in eine restaurant, um mich aufzuwärmen. zur feier des tages bestellte ich eine paila marina, das ist eine typisch chilenische suppe mit fisch und meeresfrüchten, hätte ich mal vor deren komsumation gesagt.
jetzt sage ich: paila marina, das ist ein spülwasser mit fischabfällen und muscheln, die kurz vor ihrem tod sand gefressen haben müssen, als so ne art maritimes überraschungsei (eine winzige perle habe ich übrigens auch gefunden, und ein paar knochensplitter, von den gräten ganz zu schweigen). es war nicht so, dass es arg unappetitlich oder schlecht war, ich hatte einfach nicht den eindruck, dass es etwas zu essen war. ich wusste ja nicht, ob das vielleicht so gehörte. deswegen sagte ich nur: danke, gut, als der kellner just in dem moment, in dem ich den sand ausspucken wollte, mich fragte, ob die suppe gut sei.der sand war ja eindeutig nicht in der suppe, sondern in einigen von den viechern! außerdem: kleine kinder essen schließlich ja auch sand und leben noch!
nun, danach war mir immerhin warm. dann ging ich nach draußen, wo mir der wind die seele aus dem leib blies und mich spüren ließ, dass es zeit war zu gehen. die paila marina ist für mich jedenfalls im wahrsten sinne des wortes gegessen. so war mein ausflug kulinarisch gesehen wieder mal ein reinfall.
morgen bin ich jedenfalls zum essen eingeladen. vielleicht wird ja doch alles gut...

Freitag, 11. April 2008

das culinarische curiositaetenkabinett

mittlerweile hat sich in meinem kleinen episodenbüchlein, das ich führe, um mich mit achtzig noch an chile erinnern zu können, doch schon einiges fragwürdiges im bereich "essen & trinken" angesammelt. ich könnte jetzt auch schreien: ich bin in chile, holt mich hier raus! und man könnte mir sagen: koch doch selber! in wahrheit kann ich nur dort kochen, wo ich mich zuhause fühle. gestern nämlich habe ich das erste mal richtig gekocht und habe mir gedacht, dass dieser anlass doch einen blogeintrag fordert. natürlich wäre es jetzt hiermit getan, und der erkenntnisgewinn bei der lektüre dieser drei sätze ginge gegen null, drum will ich mal aus dem kulinarischen nähkästchen plaudern:
ich muss immer wieder sagen und darf es doch nicht, dass in chile ein sehr nordamerikanischer lifestyle vorherrscht. so auch beim essen. hauptsache viel und ungesund! in chile gibt es auch noch sowas wie familien. deswegen gibt es hier die größten packungen von allem, die ich je gesehen habe. und genau deswegen sind auch die supermärkte (lider, santa isabel, jumbo) meistens extrem riesig, muss ja alles platz haben, das zeug, logisch!
meine zwei frustrierendsten esserlebnisse (fairerweise muss man zugeben, dass eins untypischerweise in argentinien stattgefunden hat) waren pizza ohne tomaten und lasagne mit omeletteteig statt nudelteig. man hüte sich also vor der sog. pizza italiana bei pizza hut, denn man sieht dem heimtückischen ding die abwesenheit von tomaten in keinster weise an!
wie in den meisten ländern, in denen das essen nicht gerade hervorragend ist, sind es dafür die süßspeisen und bäckereien. hier gilt: wo in österreich ein zuckerguss reicht, braucht es hier noch eine füllung. sehr lecker also! krapfen, die hier "berlin" heißen, sind immer mit vanille- oder karamellcreme gefüllt. überhaupt gibt es hier in der süßspeisenabteilungen einen eindeutigen karamellüberschuss. besonders beliebt gemacht haben sich bei mir die sog. flans. ich habe das ganze kühlregal durchprobiert (von chemisch bis reiner zucker) und bin bei nestlé hängen geblieben, obwohl ich ungern sachen von nestlé kaufe.
ganz typisch sind hier die empanadas. man könnte sie als chilenische nationalspeise betrachten, wenn sie es nicht in peru, bolivien und argentinien genauso wären. empanadas sind gefüllte teigtaschen, manchmal halbmondförmig, manchmal quadratisch. gefüllt sind sie mit fleisch, käse, schinken, meeresfrüchten oder tomaten mit zwiebeln, und es gibt sie überall, auf der straße und im nobelrestaurant, und in jedem zustand, von extrem lecker bis eher grausige tiefkühlkost.
ansonsten gibt es auf der straße, hier vor allem downtown bei den busbahnhöfen und in kleineren dörfern, leute, die auf den straßen selbstgemachte empanadas, getränke und sandwiches verkaufen. legendär sind auch die eisverkäufer. sie rennen mit einem karton herum, von dem man niemals vermuten würde, dass er als tiefkühltruhe dient, und meistens verkaufen sie ihr eis im bus und schreien "helado, helado". im bus geht sowieso die post ab: alles wird im bus verkauft, von bandagen bis zu geldtaschen, und auf meiner strecke steigt öfter mal ein herr ein und singt seemannslieder, wirklich klasse. es gibt aber leider auch leute, die singen weniger als darbietung, sondern um auf sich aufmerksam zu machen, wie mir scheint. denen gibt man dann was, damit sie aufhören. aber ich schweife ab!
bemerkenswert wäre auch die tendenz zum deutschen (es gibt auch "österreichische" konditoreien). in manchen supermärkten tragen die wurstverkäufer tirolerhüte und schürzen, die so tun, als seien sie lederhosen. außerdem gibt sog. bierstuben und eine fastfoodkette namens "fritz", bei der unter dem slogan "tradicion aleman" (also deutsche tradition) hotdogs von kopftuchtragenden bedienungen verkauft werden. richtig deutsch eben. dazu muss man auch sagen, dass die hotdogs hier mit kalter dickflüssiger tomatensauce und zäher avocadosauce (überhaupt ist avocado hier das nonplusultra) auf den tische kommen, also ich kann das zeug nicht essen und ess dann lieber einen bigmac um einen euro. außerdem findet man immer wieder mal produkte mit deutschen verpackungen, was daran liegen könnte, dass der besitzer vom lider deutsche vorfahren hat.
was ich ganz schlimm finde, ist die tatsache, dass die meisten leute, die was mit essenausgabe zu tun haben, einen mundschutz tragen. ich finde das übertrieben steril. außerdem weckt es in mir assoziationen zu gefährlichen, ansteckenden krankheiten, was ja nicht der sinn der sache ist, nehme ich mal an.
hingegen schön finde ich dinge wie lachsfischstäbchen ( lachs ist ja was typisch chilenisches und ziemlich billig, klasse kombination auch mit dem hier ebenfalls extrem billigen und guten sekt), violetten paprika, rote kartoffeln und die tatsache, dass die brombeere hier angemessen verherrlicht und nicht wie in österreich wie ein kulinarisches stiefkind behandelt wird.
blöd finde ich, dass es hier keinen fruchsaft ohne nix gibt, also entweder sind zwanzig verschiedene süßungsmittel drin oder jede menge zucker, was ja bei einem apfelsaft nicht unbedingt erforderlich ist. überhaupt gibt es hier eher wenige pure produkte (von der riesigen auswahl an obst und gemüse mal abgesehen), alles kommt mit einem "geschmack nach..." daher, und überall werden irgenwelche dinge zugesetzt, die überhaupt nicht notwendig sind, und dreijährigen kindern, die überhaupt nicht danach verlangt haben, werden chips und cola in die hand gedrückt.
natürlich gibt es auch neben der urbanen supermarktesskultur noch eine andere seite, nämlich die kleinen, einfachen, billigen restaurants in kleineren orten. hier bekommt man für wenig geld recht solides essen, aber leider gibts in santiago selbst nur entweder gehobene gastronomie, zwielichtige spelunken oder eben dieses fastfoodzeugs.
in diesem sinne: es lebe the countryside, und morgen ist es wieder soweit! zum schluss möchte ich noch hinzufügen, dass mir bewusst ist, dass dieser eintrag in seiner ausführlichkeit den einen oder die andere mdb-studentin vielleicht an die ergüsse eines bestimmten verwandten dritten grades erinnern könnte. dazu sei gesagt, dass zu meiner regelmäßigen lektüre daheim diverse kochbücher zählen und ich daher nicht anders kann, denn: gutes essen gehört bei mir eindeutig in die top drei der lebenswichtigsten dinge, ein thema, das mich immer sehr beschäftigt. und jetzt geh ich essen!

mahlzeit!

Montag, 7. April 2008

viva la argentina!

argentinien ist gleich hinter den anden, man braucht nur sieben stunden zu fahren und eine bis zwei stunden am zoll zu warten. wenn man mal ein paar grenzübertritte in südamerika mitgemacht hat, weiss man die leichtigkeit, mit der man mal eben in die schweiz rüberfahren kann, gleich besser zu schätzen. kommt der bus an die grenze, steigen alle aus. dann wird zuerst mal gewartet, bis der bus in der autoschlange entsprechend vorgerückt ist. irgendwann dann muss man zwei mal anstehen: einmal zum ausreisen, dann zum einreisen. blöd nur, wenn der beamte sich nicht sicher ist, ob der pass, den er in der hand hält, nicht gefälscht ist. ja, ich habe mich sehr verändert in den letzten zehn jahren. dann wird das gepäck durchsucht: von hunden oder röntgengeräten, wie man sie vom flughafen kennt. bis jetzt war es noch in jedem land verboten, pflanzliche oder tierische produkte einzuführen. wenn man sich nichts scheißt, kann man seinen apfel aber auch ruhig jenseits der grenze verspeisen. man kann auch einfach im bus sitzen bleiben, wenn die anderen ihr gepäck durchsuchen lassen. und man kann seine waffen abgeben, falls man welche hat. damit die eigenen kinder nicht erschossen werden oder so, das ist jetzt aber nicht meine logik.
wenn man das ganze überstanden hat, kommt man in eine schöne stadt mit dem namen mendoza. ich mag so rasterstädte nicht, die lösen was klaustrophobisches in mir aus, aber bei mendoza kann man eine ausnahme machen: ihr kulinarisches bewusstsein ist offensichtlich sehr ausgeprägt, und davon lebt sie auch irgendwie: gutes essen, schokolade, wein natürlich, likör und erlesenste delikatessen, von denen man in chile nur träumen kann. und alles ist extrem billig. ich wollte sportschuhe kaufen und kam mit whiskey und schokolade zurück, ich bin halt nicht gerade sehr konsequent.
das allerschönste aber war ein ausflug in die anden. während die anden an der bolivianischen grenze nicht gerade mit schönheit gesegnet sind (meine meinung), war das gebirge hier das eindruckvollste, was ich jemals gesehen habe. hier gibt es außer inkaruinen und vulkanen den höchsten berg amerikas (den aconcagua) mit 6960 metern ( es gibt übrigens einen berg namens pik kommunismus, nur so am rande). wenn man aber eh schon so hoch ist, sehen andere berge eindrucksvoller aus. es sind unheimlich große tiefe täler hier, und die berge haben einen derartigen ausdruck, dass es unmöglich scheint, dass sie nicht mit einer intention geschaffen wurden, sprich: ein mehrtägiger andenaufenthalt könnte mich womöglich zum glauben bekehren. allerdings liegt diesem gefühl, dass man beim anblick dieser berge empfindet, womöglich derselbe denkfehler zugrunde wie den ansichten irgendwelcher intelligent design-vertreter.
auf 4200 meter höhe konnte man dann, eingestimmt von dramatischer musik, dem cristo redentor, eine christus-erlöser-statue an der chilenischen grenze, hallo sagen, sofern einem nicht bunte lichter vor den augen tanzten so wie mir - ich spüre die höhenkrankheit immer, allerdings bin ich noch nie daran gestorben.
ich wünschte, ich hätte einen motorradführerschein, dann wüsste ich schon, wo ich meine wochenenden verbringen würde, aber so muss ich armes schwein halt busfahren.
dieses wochendende habe ich außerdem beschlossen, dass ich kein scheißpraktikum machen werde diesen sommer, sondern hier bleiben werde. das heisst, auf dem kontinent. anna kommt mich besuchen, und dann gehen wir auf reisen! hier zieht langsam der herbst ein, im schatten ist es schon kühl, und deswegen freue ich mich, im sommer in karibische gefilde zu ziehen. das einzige, was mir hier fehlt, ist, mit meinem geliebten rad im grünen rheintal herumzufahren. hier ist alles so staubig und sandig, und wenn man auf der straße mit dem rad fahren will, fahren einen die busfahrer zusammen. der einzige trost, der mir bleibt, ist der österreichische april und die mich erwartenden tropischen klimazonen.
in wahrheit geht mir das rheintal am arsch vorbei. fünf monate sind definitiv zu wenig für sowas großes.

Dienstag, 1. April 2008

fucking las condes

so, es reicht. heute hatte ich ein sehr aufschlussreiches gespräch mit meiner fotografieprofessorin. sie ist ziemlich cool und nicht viel älter als ich. ich habe ihr nur erzählt, wo ich wohne, da hat sie schon gesagt, ich muss hier raus und sie hilft mir dabei. es ist vielleicht nicht schlecht, einmal das wahre ghetto, und das ist las condes, gesehen zu haben, aber hier für immer leben...nö! lucia hat festgestellt: du magst es einfach, nicht?
mir geht diese phrase nicht mehr aus dem kopf. einfach und banal ist doch das luxuriöse. diese rasensprengerkultur. das, was sie einfach nennt, ist in wahrheit komplex und vielschichtig. es ist vielleicht dreckig, aber immerhin verbirgt sich etwas hinter dem dreck. las condes ist so einfach, dass es überall sein könnte auf der welt, vor allem aber in den usa. ich verstehe nicht, wie man ständig das wasser in seinem pool wechseln kann, wenn doch eh kein schwein darin badet. ja, ich stehe auch total auf den pool, ich sitze am nachmittag in der sonne und halte meine hand ins wasser, während ich über meine hausaufgaben nachdenke, aber jeder tümpel wäre mir genauso recht, und im grunde genommen ist er doch nur das größte symbol dafür, dass man etwas verschwenden kann, was andere nicht haben, und noch dazu ein ziemlich hinterhältiges, denn es erfüllt seinen zweck dadurch, dass man es hat und nicht, dass man es zeigt, was irgendwie noch perfider ist.
zur feier des tages bin ich, nach dem ich meine hose in der nähwerkstatt abgeholt habe, nach bellavista gefahren, um ein bier zu trinken. es war gegen sieben, und ich wollte die metro nehmen, und siehe da: die warteschlange reichte bis auf die straße hinauf. so etwas habe ich noch nie erlebt. die öffentlichen verkehrsmittel von santiago sind eine frechheit. das liegt daran, dass man in chile fast keine steuern zahlt, aber dafür bekommt man auch nichts geschenkt. eine gute schule kostet ihr geld, und wer keine private krankenversicherung hat, kann von glück reden, dass er einen termin für seine operation bekommt, bevor er stirbt.
als ausländerin ist man nie allein hier. ich weiss nicht, woher die leute wissen, dass ich deutsch spreche, wenn ich nicht deutsch, sondern schlechtes spanisch spreche, aber sie wissen es und sprechen einen an. außerdem habe ich zwei aus streichhölzern geschnitzte figuren (ein laternenanzünder und eine frau) in einer art mini-reagenzglas geschenkt bekommen von einem kellner namens mario, der in madrid war. ich habe immer gedacht, die chilenen stehen so auf ausländer, weil sie selbst nie im ausland waren, aber ich lerne immer mehr leute kennen, die sogar mal in wien waren. wenn man mit leuten redet, gerät man früher oder später immer in ein bestimmtes muster. irgendwann kommt der punkt, wo sie fragen (und wenns mehrere sind, dann sagen sie es oft gleichzeitig, das ist sehr merkwürdig): porque chile?
dann betrachten sie einen sehr aufmerksam, während man die gründe aufzählt, und wenn man sie ebenfalls aufmerksam betrachtet, kann man beobachten, wie ihre augen zu leuchten beginnen und sich ein zufriedenes lächeln auf ihrem gesicht ausbreitet, so kann man menschen also auch freude bereiten. ich muss mittlerweile immer grinsen, wenn ich merke, dass gleich diese frage kommt.
am wochenende war ich mit johannes paul und seiner freundin auf einem asado (mein drittes inzwischen). ein freund von johannes paul feierte die bevorstehende geburt seines ersten hombres. ich habe den verdacht, dass man anlässlich der geburt einer mujer keine asados feiert, aber meinetwegen. einer seiner freunde ist architekturprofessor an der universidad catolica und hat mich eingeladen, eines seiner seminare zu besuchen. leider hat es was mit 3d zu tun. danach bin ich mit der freundin von johannes paul sommerrodelbahn gefahren. in chile heisst das: rodelbahn, und ihr erscheinungsbild orientiert sich sehr am alpenklischee. überhaupt stehen hier alle total auf die alpen und auf heidi. als wir heimgefahren sind, habe ich zu lucia gesagt: ich habe jetzt einen mann gefunden, denn sie wünscht sich so sehr einen kerl für mich und hatte mich zuvor mit den worten "hübsch siehst du aus" und " viel glück" verabschiedet, da konnte ich gar nicht anders, und bis sie gemerkt hat, dass ich nur spass mache, hat sie sich irrsinnig gefreut. abgesehen davon wird sie immer mehr wie meine oma. die freundin von johannes paul weiss alles, was lucia über mich weiss, und letztens hat sie ihr erzählt, dass ich zwei tage lang nichts gegessen habe (was ich wiederum bemerkt hätte). dafür lässt sie meinen saustall saustall sein.
heute habe ich mir auch zum ersten mal tschicks (2 euro, dafür grinst einem ein kaputtes gebiss auf der schachtel entgegen) gekauft, sowas scheussliches habe ich auch noch nie geraucht, auch gut, dann fange ich gar nicht erst an. in bellavista gibt es bier nur literweise zu bestellen, aber der liter kostet nur 1,50 euro, und bei dem preis trinkt man einen liter so schnell wie bei uns einen halben, ich habe sowieso den verdacht, dass die hier bier trinken wie wasser.
momentan ist es wieder etwas lockerer an der uni. eigentlich gibt es ja nie viel zu tun, bis auf das eine fach, in dem die ganzen fünfer verteilt werden, aber das ist jetzt vorbei, denn jetzt geht es um gestaltung und nicht mehr um so kneidlzeugs. die leute hier sind so unglaublich schlecht. ich meine, ihre eltern bezahlen ein halbes vermögen für ihre ausbildung, und sie stehen nachher trotzdem mit nichts da, weil sie einfach nicht geeignet sind für den beruf! mir ist auch klar, dass meine berufliche zukunft alles andere als sicher ist, aber wenn ich die wäre, hätte ich jede nacht albträume.
die letzte aufgabe war, ein gedicht auf einem leporello zu visualisieren. was machen sie? die einen schreiben ihre wörter mit bleistift auf weisses papier, mit computer arbeitet sowieso fast keiner, die anderen nehmen für jedes einzelne wort ne eigene farbe und schrift...also ne! meins hat ihnen jedenfalls gefallen, ich soll nur die illustrationen streichen, und dann passt es.
drum habe ich jetzt fast ferien und habe mich gestern mit dem vorsatz, herauszufinden, wie man frames erstellt, an den computer gesetzt...und am nächsten morgen hatte ich meine homepage fertig! jetzt fehlt mir nur noch ein teil der inhalte. ich muss mich ja demnächst mal für ein praktikum bewerben. ansonsten fehlt mir nur noch das rechte domizil, dann bin ich auch wunschlos glücklich.

saludos desde chile,
bianca

Dienstag, 25. März 2008

ostern

die chilenen sind ja sehr katholisch. noch katholischer sind allerdings die koreaner, die mit begriffen wie "church friend" um sich schmeißen, wer hätte das gedacht. als ich am samstag vor ostern nach hause ging, stand da an einer kreuzung eine frau mit einem schild (von dem ich allerdings nur die rückseite sah, also nicht sehr informativ) und vor ihr ein tisch mit einem kreuz und einer kerze. muss wohl jemand gestorben sein, dachte ich und schaute der frau ins gesicht. sah sie nicht verweint aus? ich verglich den aufwand kurz mit dem grablicht und den blumen, die es bei uns gibt, wenn jemand von einem auto niedergefahren ist. das war ja ein richtiger altar und die reinste totenwache!
ich ging weiter, und nach ein paar metern war da noch so ein tisch. erst dachte ich: wow! dann zweifelte ich an meiner autounfall-theorie. dann hatte ich noch so ein dejavu, und dann war die straße schwarz vor hunderten normalsterblichen und einem pfarrer, und alle beteten und sangen und ich kam kaum durch.
am abend wollte mich lucia zu einem besuch der ostermesse verführen, aber da war sie bei mir natürlich an der falschen. übrigens war ich schon einmal in einer messe, und zwar in la paz. kleine ministranten hüpfen durch die kirche, jeder kommt und geht, wann er will, und der pfarrer predigt von konsumverseuchten kindern, wer hätte das gedacht.
dann wechselte sie aus heiterem himmel das thema und fragte mich, ob ich glaube, dass prinz albert schwul sei.
ich sagte: nein, warum soll ich das glauben? er hat doch eine freundin.
lucia: das heißt gar nichts! viele männer sind verheiratet und schwul!
ich: ja, aber wie kommst du denn darauf, dass ausgerechnet der prinz albert schwul ist? (vielleicht sollte ich mal bild der frau lesen oder so.)
sie: weil er schon so alt und unverheiratet ist.
ich: aber du hast doch gerade gesagt, es gibt viele männer, die verheiratet sind und schwul, das ist doch kein grund...
ein gespräch wie eine möbiusschleife. ich glaube, sie findet mich extrem schräg und ich finde sie extrem schräg, und davon lebt die konversation. ein katzenmensch und ein hundemensch treffen aufeinander. ich hasse an hunden das unterwürfige, sie hasst an katzen das hinterfotzige. eigenschaften, die sich theoretisch gut kombinieren ließen. an hunden hasse ich außerdem, dass sie nachts um vier, wenn man sich gerade ins bett begeben will, beschließen, eine halbe stunde dem vollmond zu weihen. wenn der unmittelbare nachbarshund heult, hört sich das an, als ob gerade jemand verreckt.
gestern bin ich zum ersten mal am morgen von escuela militar, das ist die letzte ubahnstation von der stadt aus, heim gefahren, und dieses erlebnis hat mich in meiner entscheidung, doch hier zu bleiben, ziemlich beeinflusst. transantiago, das hiesige bus- und metro"system", ist eine katastrophe, man muss drei busse ziehen lassen, bevor man es schafft, sich in den vierten reinzuquetschen. wenn von außen zuschaut, wie sich die menschen in den bus quetschen, lacht man als anfänger noch, aber die santiaguiner haben längst schon gelernt, ihre ellbogen einzusetzen, und leute, die zu anderen uhrzeiten bestimmt gentlemänner sind, verwandeln sich in die größten rüpel. man braucht vom zentrum also mindestens eine stunde an die uni, und das unter umständen, die in anderen kontexten unter tierquälerei fallen. hier hingegen wohne ich so nah an der uni, dass ich das konzert höre, dass eben im innenhof der uni angefangen hat und mich daran erinnert, dass da heute irgendeine party steigt. ich meinerseits werde heute abend auf meinem bett liegend mit meinem heineken eine art fernstudium betreiben.
am ostersonntag (claudia hatte geburtstag) haben wir ein asado (barbecue) gemacht, das ist sowas typisch chilenisches. es gibt fleisch für drei tage und chilenischen salat (tomaten und zwiebeln) und kartoffelsalat ( eigentlich nur gekochte kartoffeln), und dazu piña colada und bier. bei meinem ersten asado im parque padre hurtado, wo es ist wie auf einem enormen openair, bei dem die musik aus den parkenden autos kommt und fünfzig meter lange schlangen vor dem eingang stehen, habe ich in praxis gelernt,was mir johannes paul nebst der politischen, geografischen und sozialen geschichte chiles erläuterte, nämlich dass man das bier hier literweise saufen kann und nicht betrunken wird, weil es nämlich so leicht ist, dass es manche leute den ganzen tag trinken. in diesem zusammenhang erfuhr ich die brutale story, dass lucia den elfjährigen betrunkenen johannes paul, der am vorabend von claudias freunden abgefüllt worden war, knallhart in die schule geschickt worden war (was lucia umgehend zu der an mich gerichtete frage führte, ob ich mich denn auch betrinke).
was noch für chile typisch ist, ist dass man sich zur begrüssung auf die luft an der linken wange küsst, zwar nicht immer, aber fast immer und jeden. manchmal kommt mir dieser brauch reichlich absurd vor, z.b. wenn ein übermütiger (und überdies zu spät kommender) student seine professorin zuerst mit einem kuss begrüßt und sie ihn nach der stunde fragt, wie er heisst. mich küssen auch andauernd leute, von denen ich nicht vorher gewusst habe, dass es sie gibt. am ostersonntag kamen zwei freundinnen von paula, küssten die ganze familie zur begrüßung, blieben zehn minuten, küssten die ganze familie zu abschied und gingen dann wieder! irgendwas passte da nicht, wahrscheinlich das zeitliche verhältnis begrüßung und aufenthalt.
die uni ist ziemlich hart. es gibt noten von 1-7, und ab einer vier ist man positiv, das heisst, es gibt drei negative noten. mit genügend und diversen nicht genügend wird dementsprechend sehr großzügig umgegangen. ich war zuerst in einem kurs, wo bei der ersten übung alle genügend und nicht genügend hatten, danach bin ich gegangen, das fand ich schon sehr übertrieben. als ich jetzt wieder ein zwei nicht genügen kassiert habe, nahm ich das schon ziemlich locker, weil meine nicht genügend im vergleich zu den anderen nicht genügend noch ziemlich gut waren. es ist schon seltsam hier. bei vielen in meinem kurs hab ich nicht wirklich das gefühl, dass sie wissen, was sie tun. wenn man zum beispiel ein bild und ein wort kombinieren soll, nehmen sie einfach ein bild und schreiben das wort klein in eine ecke. trotzdem sind die kurse inhaltlich auf einem extrem hohen niveau und sehr anspruchsvoll. das in kombination mit gestalterisch eher herausgeforderten studenten führt natürlich zu eher schlechteren noten. wofür man an der fh einen dreier kriegt, kriegt man hier schnell einen fünfer. der lerneffekt ist jedenfalls gewaltig und die notengebung zwar sehr streng, aber immer gerechtfertigt (abgesehen von dem ersten kurs). die ausbildung hier dürfte in jedem fall besser sein als die an der fh. das interessante ist, dass man weniger ( nicht wenig, weniger!) zu tun hat, aber mehr lernt, weil man sich intensiver mit etwas beschäftigt. wenn ich an text und zeichen teil eins denke, kommt es mir wirklich fast hoch ob der verschwendeten zeit. da lieber ein paar nicht genügend als so nen scheiß!

herzlichst, ihre frau tschaikner

Sonntag, 23. März 2008

nix gutes

Nicht aus dem Grund, dass mein heutiger Ausflug besonders spektakulär gewesen wäre, schreibe ich meinen dritten Kommetar, sondern weil mich gerade etwas wieder ziemlich aufregt.
Heute war ich mit Choi in Isla Negra, wo es außer einer wilden Küste, kleinen Kneipen, Kunsthandwerk und natürlich dem Haus von Pablo Neruda nicht viel gibt. Das Haus war wie ein Museum. Neruda hat Galionsfiguren gesammelt, ich weiß nicht, wer schon einmal welche gesehen hat, aber wenn man diesen hölzernen Frauenfiguren ins Gesicht schaut und sich dabei vorstellt, was die schon alles gesehen haben, ist das schon ziemlich krass.
In Isla Negra war es saukalt, und deswegen sind wir auch gleich nach Valparaíso, meiner Lieblingsstadt hier, gefahren. Der Plan war, ein Hostel zu suchen und dann fortzugehen, denn das kann man in Valparaíso, wie ich gehört habe, gut, und ich muss ja zu meiner Schande gestehen, dass ich zuletzt in Bolivien richtig fortgegangen bin. Ostern ist in Chile ja ziemlich wichtig, und deswegen unternimmt die ganze Familie etwas Schönes, weshalb es dann in Valparaíso nichts mehr gibt außer Luxusherbergen und arme Austauschstudentinnen dann wieder heimfahren.
Weil es schon kurz vor 10 war, als ich in den Bus nach Hause stieg, und ich wissen wollte, ob es stimmt, dass der letzte Bus um zehn fährt, fragte ich den Chauffeur. Er antwortete, der Bus fahre die ganze Nacht. Geil, denke ich, jetzt kann ich fortgehen, ohne mir Sorgen um meine Finanzen (Taxi) zu machen. Ist es nicht schön, wenn man so frei ist?
Als ich daheim Lucia nach einigen schrägen Diskussionen z.B. über homosexuelle alte Römer und die Bedeutung der Epiphanie dann erzähle, dass ich unbedingt mal Nachts auf den Cerro San Cristóbal will, um Santiago von oben zu sehen, sagt sie, ich bin verrückt, und dann erzählt sie mir, dass vorgestern Paulas Freundin, grad wie sie aus dem Bus ausstieg, von vier Männern in ein Auto gezerrt und vergewaltigt wurde, und Paula weint den ganzen Tag und mir wurde fast schlecht.
Ich hatte mich heute früh noch gewundert, wie es zusammenpasst, dass Paula einerseits im ganzen Haus mit ihrem Freund Santiago herumknutscht und andererseits noch ihrer Mutter am Hals hängt wie ein kleines Kind und bei ihr im Bett schläft, aber jetzt wundert mich das irgendwie nicht mehr.
Es kotzt mich an, dass man nicht unbeschwert in der Nacht herumspazieren kann, nur weil ein paar so primitive Schwänze absolut keinen Respekt vor Frauen haben, was hier offensichtlich häufiger der Fall ist und schon damit beginnt, dass in gewissen Gegenden viele von ihnen Frauen gerne hinterherpfeifen oder blödes Zeug hinterherrufen (man kennt das eh). Ich jedenfalls bin dabei, meinen Wortschatz entsprechend zu erweitern. Man darf sich das nicht gefallen lassen, sonst hört das ja in hundert Jahren nicht auf (was ich ohnehin bezweifle). Alles Affen!
Zum Glück ist ja nicht die ganze Männerwelt mit diesen hehren Wesenszügen ausgestattet, und man kann und soll natürlich trotzdem in der Nacht herumspazieren, aber wenn etwas in der Art in meinem Umfeld passiert ( und es passiert leider oft genug), berührt mich das schon nicht wenig, und wohler fühlt man sich dann auch nicht gerade, wenn man Nachts unterwegs ist. Also, an die Mädels da draußen: Passt gut auf euch auf!

Donnerstag, 20. März 2008

heute kann ich also sagen: ich bin genau seit einem monat in südamerika. andererseits kann ich nicht sagen, dass es südamerika ist, wo ich mich seit einem monat befinde. häuser, hunde, rasensprenger, um las condes auf den punkt zu bringen. jede familie, die etwas auf sich hält, hat eine haushälterin (üblicherweise ist deren hautfarbe ein paar nuancen dunkler als die der herrschaften). da wir quasi eine halb zerrissene, halb verwitwete familie sind, haben wir "nur" eine putzfrau (und einen gärtner, natürlich). die putzfrau, la flor (die blume) verdient keine zwanzig euro für acht stunden arbeit und muss jeden tag arbeiten, weil sie vier kinder durchbringen muss. sogenannte nanas, also erzieherinnen im weitesten sinne, und die, die im bus die fahrkarten kontrollieren und decken verteilen, verdienen etwa dreihundert euro im monat. dreihundert euro beträgt auch ungefähr die monatliche studiengebühr an meiner uni. 
vor ein paar tagen habe ich mich außerdem aus welchen gründen auch immer ins "ghetto" verirrt, und siehe da, das andere ende des farbverlaufs: europa und die ganzen blauäugigen waren verschwunden, und ich fiel dermaßen auf, dass mich sogar der busfahrer fragte, wohin ich denn wolle. 
um das gefühl, irgendwo im nirgendwo zu sein, loszuwerden, habe ich begonnen, rauszufahren. letztes wochenende war ich mit jasmin, einer deutschen mit iranischen eltern, und choi, einer koreanerin, in valparaiso und viña del mar. die chilenen lieben ja ausländer (mit ausnahme der peruaner und der bolivianer) , viele von ihnen, auch die reichen, sind noch nie aus chile rausgekommen und sind sehr, sehr neugierig, vor allem, wenn so ein lustiges trio auftaucht.
valparaiso ist die stadt mit den aufzügen. in motorcycle diaries sieht man den gael garcia bernal in so einem aufzug fahren, eine sehr schöne szene. (lucia mir übrigens gestanden, dass sie che guevara sehr hübsch findet, während jasmins familie sich hingegen als pinochet-anhänger geoutet hat.) die aufzüge sind uralt, der jüngste achtzig jahre, und wenn man mit ihnen durch die bruchbuden valparaisos fährt, hat man das gefühl, dass man sich in einer zeitmaschine befindet. weil ja sonntag ostern ist, wurden überall auf der straße geflochtene taschen mit olivenzweigen und rosmarin verkauft. die wissen eben noch, wie man seinen glauben zelebriert! außerdem haben wir la sebastiana, ein (ganz wunderbares) haus von pablo neruda, besucht, was mich gleich zu meinem nächsten ausflug führt. morgen fahre ich mit choi nach isla negra, wo ein weiteres haus von pablo neruda steht, und dann vielleicht nach san antonio, wo es seelöwen gibt und wo man dann vielleicht das chile zu spüren bekommt, das isabel allende in aphrodite schildert. meeresfrüchte darf man zwar nicht essen, wie lucia mir erzählt, nachdem ich am vorabend ein empanada mit meeresfrüchten gegessen habe, denn die haben grad irgendeine krankheit, und die macht blöd, wenn ich das richtig verstanden habe, aber es gibt dort einen tollen fischmarkt mit fischern, die angeblich knietief in fischhaufen stehen.
eigentlich bin ich aus bürokratischen gründen derzeit lichtjahre im minus, aber ich sehe nicht ein, wieso ich deshalb auf kleine ausflüge wie diese verzichten soll. ich habe freitag immer frei, das ist sehr gut, abgesehen davon, dass man immer mit hausaufgaben eingedeckt wird. 
ein fach, genannt taller grafico, ist zweimal die woche und ziemlich hart, dafür ist der rest ziemlich easy, abgesehen davon, dass ich in fotografie einen text auf spanisch lesen muss, der vom sprachlichen niveau her an "die helle kammer" grenzt. mein lieblingsfach ist aktzeichnen, das hätte ich am liebsten jeden tag, und der lehrer ist wirklich toll. nächste woche besuchen wir die körperwelten-ausstellung.
dann gibt es noch marketing, ein fach, dass ich eigentlich doch nicht machen muss, weil ich mir eine prüfung aus einem anderen leben anrechnen lassen kann, aber es fordert mich heraus. am ersten tag hab ich nämlich kein wort verstanden, und das fach ist sozusagen meine messlatte für meine spanischkenntnisse.  
ansonsten erfährt man auch viel über andere länder, zum beispiel, dass in korea leute t-shirts tragen, auf denen "rape me" und " asshole" steht und das dann den koreanerinnen, die englisch können, in den augen weh tut, aber die darauf hingewiesenen dann das t-shirt trotzdem nicht ausziehen wollen, weil es ja so viel gekostet hat. außerdem küssen sich die koreaner nicht in der öffentlichkeit, und wenn, dann auch nur den boyfriend. die deutsche erklärung auf das koreanische kopfschütteln hin war dann: bei uns (und in chile) küsst man jemanden, wenn man betrunken ist und ihn mag. -pause. nachsatz: man küsst auch jemanden, wenn man betrunken ist und ihn nicht mag. es stimmt ja eh, aber wie hört sich das an?
apropos küssen: theoretisch wollen zwar alle austauschstudentinnen einen chilenischen boyfriend, u.a. um spanisch zu lernen, praktisch aber finden sie, je nach veranlangung, deren frisuren entweder zum lachen oder zum weinen. in chile trägt die männerwelt nämlich derzeit gerne einen vokuhila, und die ganz mutigen tragen hinten rastas bis zum arsch, werden von den deutschen dann "schaf" genannt und können es nicht verstehen. einzigartig auf der welt, wie so vieles hier.

in diesem sinne,
grüß gott nach vorarlberg und den rest der welt
bianca

Donnerstag, 6. März 2008

nachdem mich in letzter zeit einige nachrichten ereilten, nach denen ich bereits tot gewaehnt wurde, dachte ich, es wird nun wirklich zeit, mein leben hier zu digitalisieren: nicht dass hier noch falsche eindruecke entstehen! in letzter zeit war ich vollbeschaeftigt mit einer reise (7000 kilometern in 10 tagen) durch nordchile, bolivien und peru, von der ich nach dreissig stunden busfahrt sehr puenktlich fuenf stunden vor unibeginn angekommen bin. ein reisebericht wuerde jetzt aber den rahmen dieses blogs sprengen. jedenfalls war es eine sehr lehrreiche reise voller einblicke in die seelen minderjaehriger peruanischer geschaeftsmaenner, maskierter bolivianischer schuhputzer (ueber die ich eine kleine fotoserie gemacht habe), inkaruinen und sonneninseln auf dem titicacasee sowie einigen einblicken, die mir lieber erspart geblieben waeren, zum beispiel die bolivianischer toiletten, in denen spuelung und wasserhahn grundsaetzlich attrappen sind und man das klopapier (das selbstverstaendlich selbst mitgebracht werden muss) nicht ins klo schmeissen darf. manchen recht unkomplizierten eingeborenen geht dann der ganze kram mit gefaktem wasserhahn und so sowieso am arsch vorbei, und sie benutzen gleich die groesste offentliche toilette, den gehsteig.
ja, wenn man dann von so einem ort nach las condes kommt, braucht man schon eine weile, um sich zu assimilieren. ich glaubte ja, ich wuerde in einem haus mit ein paar studenten leben, in einer schoenen grossstadt namens santiago vielleicht. wenn man von meiner uni auf die anden klettern moechte, braucht man vielleicht eine stunde. ums eck wohne dann ich, und zwar in einer gegend mit palmengesaeumten strassen, haeusern mit mindestens zwei alarmanlagen (einer biologischen und einer elektronischen) und einem pool, versteht sich von selbst. so, nun wohne ich also im nobelviertel von santiago und besuche eine scheissteure universitaet (die aussieht wie ein freibad ) mit eigenem fitnesscenter und 1000 sicherheitsmenschen und putzkolonnen und was weiss ich. ich wohne also da in einem haus mit mindestens drei badezimmern und einem sehr kolonialen salon im exzimmer von johannes paul, der, wie señora lucia, meine gastgeberin, gesagt hat, abgehauen ist wie alle maenner, mit señora lucia und ihrer tocher (der entweder der mann abgehauen ist oder sie ihm, man weiss es ja nicht) und deren tochter. in der nacht, wenn sich die hunde beruhigt haben, ist es totenstill. der letzte bus nach las condes faehrt um 10. meine freundin geraldine meint, in las condes gaebe es ohnehin discotecas (ich hoffe, sie meint damit etwas anderes als ich), und sie behauptet, wenn man im zentrum fortgeht, klaut man einem die handtasche. ich hingegen habe den verdacht, dass die wirklich guten laeden im zentrum sind. jedenfalls weiss ich nicht, ob ich mein lebtag in las condes bleibe. mal schauen.
die universidad del desarrollo ist mindestens so haesslich wie der neubau der fh, aber der freibadcharme passt noch recht gut zu den kahlen, sandigen anden nebenan und der herbstlichen hitze. es gibt hier ungefaehr zehn computerraeume, auch jede menge imacs (mit cs2). an einem von diesen sitze ich jetzt, weil man johannes paul gestern von angeblich kompetenter stelle gesagt hat, dass man an ein ibook kein internet mit usb anschliessen kann, sondern nur mit firewire. hat man sowas schon gehoert?
señora lucia ist eine kleine weisshaarige frau, die ca. zwanzig sprachen spricht und der einzige erwachsene mensch ist, den ich kenne, der schuhgroesse 33 hat. ausserdem haelt sie mich fuer juenger, als ich bin, und nennt mich immer "meine kleine", obwohl ich mindestens zwei koepfe groesser bin als sie. sehr komisch an mir findet sie: ich fruehstucke nicht, ich trinke keine milch und ich schaue nicht fern (letzthin hat sie mir sogar unterstellt, dass ich ihren swimmingpool nicht mag). ich habe gesagt, ich lese lieber, zum beispiel die hundert jahre alten buecher, die mir johannes pauls grossvater hinterlassen hat, arthur rimbaud auf spanisch und barocke kubanische poeten und was weiss ich was noch fuer schaetze, ich hatte ja noch keine zeit, mir alles genau anzusehen! vom fernsehzimmer aus gibt es nachts einen grandiosen ausblick hinunter auf santiago, umrahmt von ein paar dunklen ungetuemen, das sind die anden, aber señora lucia behauptet, dass eines von diesen dingern der zuckerhut ist. ausserdem finde ich es sehr verdaechtig, dass sie davon ausgegeht, dass jemand, der pinochet nicht mag, automatisch ein sozialist ist, aber dazu moechte ich lieber nicht mehr wissen. eigentlich wollte ich johannes paul in der letzten metrostation escuela militar ( von der aus ich noch eine viertelstunde mit dem bus fahren muss, um in mein domizil in las condes zu kommen) treffen, aber als ich sah, dass die ziemlich gross war, wusste ich, dass wir uns heute nicht mehr begegnen wuerden, und machte mich nach einer halben stunde auf nach las condes, um mein haus zu suchen, wo ich schliesslich señora lucia begegnete, die mich auf deutsch mit den worten begruesste: du lebst?
als ich sie und alles sah, dachte ich sofort: hier kann man einen roman schreiben. ich war noch keine viertelstunde da, da schleppte sie mich sofort in einen supermarkt, um essen zu kaufen. ich nenne sie meine chilenische oma, sie hingegen nennt sich meine chilenische mama, man kann es halten, wie man will. immerhin hat sie mir erlaubt, dass ich "some handsome men" mitbringen darf, was ja auch nicht das schlechteste ist. die supermaerkte sind ziemlich krass. am eingang stehen sicherheitsmaenner, die einem die plastiktaschen zukleben, damit man nichts klaut. obst und gemuese wird von einer mitarbeiterin gewogen. die kassiere und kassierinnen sind so langsam, die wuerde man sogar im saegercenter auf der stelle feuern, aber hier gehts allgemein ein bisschen gemuetlicher zu. an der kasse steht ausserdem in der regel ein demotivierter mensch, aehnlich wie im meinl am graben, der einem den einkauf einpackt, und zwar allerhoechstens drei artikel pro plastiksack, in der regel aber zwei. am ende hat man dann einen haufen weisser saecke (in denen wiederum plastiksaecke mit sachen drin befinden) im einkaufswagen, das sieht aus, als haette man muell gekauft, was gar nicht mal so falsch ist. ich komme mit zwei aus, wo andere mindestens zehn benoetigen. umweltschutz kennen die nicht, und señora lucia hat gestern abend ihrer tochter sehr amuesiert erzaehlt, dass man in oesterreich nicht nur eine sorte muell kennt. du musst dich anpassen, hat sie zu mir gemeint, ja das wird sicher schwierig. chile ist eine dreckschleuder.
dass man einmal spurlos verschwindet, muss man hier auch nicht befuerchten. man wird stets registriert und aufgeschrieben. keine chance auf eine busfahrt, auch im inland, ohne pass. vor der fahrt und waehrend der fahrt muss man seine passnummer angeben, plus beruf und alter und beweggruenden und sonstigen daten. in peru ging einmal vor der abfahrt ein kerl mit einer kamera durch den bus und filmte alle insassen, zur sicherheit, wie er meinte, aber das ist eine andere geschichte. ohne pass muss man auch gar nicht versuchen, mit kreditkarte zu zahlen, und wenn man eine kundenkarte macht, braucht man auch seine passnummer. apropos kreditkarte: die t-shirts, die manche chilenischen maenner tragen, sind phaenomenal. mein derzeitiger favorit ist: wie geht es deiner frau und meinen kindern? dann gibt es noch: ich weiss, die kreditkarte war nur fuer notfaelle, aber sie war so heiss. und: pfeil nach oben, der mann, pfeil nach unten, die legende, gesehen in arica, getragen von einem midlifecrisisfaelligen herrn mit bierbauch und gattin an der rechten. und das sind noch die harmloseren!
meine kurse: aktzeichnen, packaging und fotografie. marketing werde ich wohl durch eine tlv an der fh ersetzen. dass ich aufsaetze auf spanisch schreibe, kann man von mir ja nicht verlangen. es ist nur etwas traurig, dass anscheinend nur maedchen (ausserdem sind wir fuenfzehn austauschstudentinnen und nur ein -student, und fast alle studieren literatur) grafikdesign studieren, aber dafuer sind sie alle sehr nett und hilfsbereit und offen und wollen alles wissen. die meistgestellte frage: why chile?
ja, langsam verstehe ich auch die chilenen, die ueberhaupt kein normales spanisch sprechen und grundsaetzlich dazu neigen, die schoenen konsonanten zu verschlucken. wie ich hier angekommen bin, habe ich mich gefuehlt, als wuerde ich gegen eine wand rennen, oder als koennte ich schreiben, aber nicht lesen. ich habe keine wort verstanden. jetzt geht es besser, auch wenn von ich von zeit zu zeit immer noch hilflos vor subjekten mit besonders scheusslicher aussprache stehe, aber das wird schon werden.

saludos de chile,
bianca