Dienstag, 25. März 2008

ostern

die chilenen sind ja sehr katholisch. noch katholischer sind allerdings die koreaner, die mit begriffen wie "church friend" um sich schmeißen, wer hätte das gedacht. als ich am samstag vor ostern nach hause ging, stand da an einer kreuzung eine frau mit einem schild (von dem ich allerdings nur die rückseite sah, also nicht sehr informativ) und vor ihr ein tisch mit einem kreuz und einer kerze. muss wohl jemand gestorben sein, dachte ich und schaute der frau ins gesicht. sah sie nicht verweint aus? ich verglich den aufwand kurz mit dem grablicht und den blumen, die es bei uns gibt, wenn jemand von einem auto niedergefahren ist. das war ja ein richtiger altar und die reinste totenwache!
ich ging weiter, und nach ein paar metern war da noch so ein tisch. erst dachte ich: wow! dann zweifelte ich an meiner autounfall-theorie. dann hatte ich noch so ein dejavu, und dann war die straße schwarz vor hunderten normalsterblichen und einem pfarrer, und alle beteten und sangen und ich kam kaum durch.
am abend wollte mich lucia zu einem besuch der ostermesse verführen, aber da war sie bei mir natürlich an der falschen. übrigens war ich schon einmal in einer messe, und zwar in la paz. kleine ministranten hüpfen durch die kirche, jeder kommt und geht, wann er will, und der pfarrer predigt von konsumverseuchten kindern, wer hätte das gedacht.
dann wechselte sie aus heiterem himmel das thema und fragte mich, ob ich glaube, dass prinz albert schwul sei.
ich sagte: nein, warum soll ich das glauben? er hat doch eine freundin.
lucia: das heißt gar nichts! viele männer sind verheiratet und schwul!
ich: ja, aber wie kommst du denn darauf, dass ausgerechnet der prinz albert schwul ist? (vielleicht sollte ich mal bild der frau lesen oder so.)
sie: weil er schon so alt und unverheiratet ist.
ich: aber du hast doch gerade gesagt, es gibt viele männer, die verheiratet sind und schwul, das ist doch kein grund...
ein gespräch wie eine möbiusschleife. ich glaube, sie findet mich extrem schräg und ich finde sie extrem schräg, und davon lebt die konversation. ein katzenmensch und ein hundemensch treffen aufeinander. ich hasse an hunden das unterwürfige, sie hasst an katzen das hinterfotzige. eigenschaften, die sich theoretisch gut kombinieren ließen. an hunden hasse ich außerdem, dass sie nachts um vier, wenn man sich gerade ins bett begeben will, beschließen, eine halbe stunde dem vollmond zu weihen. wenn der unmittelbare nachbarshund heult, hört sich das an, als ob gerade jemand verreckt.
gestern bin ich zum ersten mal am morgen von escuela militar, das ist die letzte ubahnstation von der stadt aus, heim gefahren, und dieses erlebnis hat mich in meiner entscheidung, doch hier zu bleiben, ziemlich beeinflusst. transantiago, das hiesige bus- und metro"system", ist eine katastrophe, man muss drei busse ziehen lassen, bevor man es schafft, sich in den vierten reinzuquetschen. wenn von außen zuschaut, wie sich die menschen in den bus quetschen, lacht man als anfänger noch, aber die santiaguiner haben längst schon gelernt, ihre ellbogen einzusetzen, und leute, die zu anderen uhrzeiten bestimmt gentlemänner sind, verwandeln sich in die größten rüpel. man braucht vom zentrum also mindestens eine stunde an die uni, und das unter umständen, die in anderen kontexten unter tierquälerei fallen. hier hingegen wohne ich so nah an der uni, dass ich das konzert höre, dass eben im innenhof der uni angefangen hat und mich daran erinnert, dass da heute irgendeine party steigt. ich meinerseits werde heute abend auf meinem bett liegend mit meinem heineken eine art fernstudium betreiben.
am ostersonntag (claudia hatte geburtstag) haben wir ein asado (barbecue) gemacht, das ist sowas typisch chilenisches. es gibt fleisch für drei tage und chilenischen salat (tomaten und zwiebeln) und kartoffelsalat ( eigentlich nur gekochte kartoffeln), und dazu piña colada und bier. bei meinem ersten asado im parque padre hurtado, wo es ist wie auf einem enormen openair, bei dem die musik aus den parkenden autos kommt und fünfzig meter lange schlangen vor dem eingang stehen, habe ich in praxis gelernt,was mir johannes paul nebst der politischen, geografischen und sozialen geschichte chiles erläuterte, nämlich dass man das bier hier literweise saufen kann und nicht betrunken wird, weil es nämlich so leicht ist, dass es manche leute den ganzen tag trinken. in diesem zusammenhang erfuhr ich die brutale story, dass lucia den elfjährigen betrunkenen johannes paul, der am vorabend von claudias freunden abgefüllt worden war, knallhart in die schule geschickt worden war (was lucia umgehend zu der an mich gerichtete frage führte, ob ich mich denn auch betrinke).
was noch für chile typisch ist, ist dass man sich zur begrüssung auf die luft an der linken wange küsst, zwar nicht immer, aber fast immer und jeden. manchmal kommt mir dieser brauch reichlich absurd vor, z.b. wenn ein übermütiger (und überdies zu spät kommender) student seine professorin zuerst mit einem kuss begrüßt und sie ihn nach der stunde fragt, wie er heisst. mich küssen auch andauernd leute, von denen ich nicht vorher gewusst habe, dass es sie gibt. am ostersonntag kamen zwei freundinnen von paula, küssten die ganze familie zur begrüßung, blieben zehn minuten, küssten die ganze familie zu abschied und gingen dann wieder! irgendwas passte da nicht, wahrscheinlich das zeitliche verhältnis begrüßung und aufenthalt.
die uni ist ziemlich hart. es gibt noten von 1-7, und ab einer vier ist man positiv, das heisst, es gibt drei negative noten. mit genügend und diversen nicht genügend wird dementsprechend sehr großzügig umgegangen. ich war zuerst in einem kurs, wo bei der ersten übung alle genügend und nicht genügend hatten, danach bin ich gegangen, das fand ich schon sehr übertrieben. als ich jetzt wieder ein zwei nicht genügen kassiert habe, nahm ich das schon ziemlich locker, weil meine nicht genügend im vergleich zu den anderen nicht genügend noch ziemlich gut waren. es ist schon seltsam hier. bei vielen in meinem kurs hab ich nicht wirklich das gefühl, dass sie wissen, was sie tun. wenn man zum beispiel ein bild und ein wort kombinieren soll, nehmen sie einfach ein bild und schreiben das wort klein in eine ecke. trotzdem sind die kurse inhaltlich auf einem extrem hohen niveau und sehr anspruchsvoll. das in kombination mit gestalterisch eher herausgeforderten studenten führt natürlich zu eher schlechteren noten. wofür man an der fh einen dreier kriegt, kriegt man hier schnell einen fünfer. der lerneffekt ist jedenfalls gewaltig und die notengebung zwar sehr streng, aber immer gerechtfertigt (abgesehen von dem ersten kurs). die ausbildung hier dürfte in jedem fall besser sein als die an der fh. das interessante ist, dass man weniger ( nicht wenig, weniger!) zu tun hat, aber mehr lernt, weil man sich intensiver mit etwas beschäftigt. wenn ich an text und zeichen teil eins denke, kommt es mir wirklich fast hoch ob der verschwendeten zeit. da lieber ein paar nicht genügend als so nen scheiß!

herzlichst, ihre frau tschaikner

1 Kommentar:

Benni hat gesagt…

alles ist besser als text und zeichen 1. malen im kindergarten war besser als text und zeichen. flötenunterricht in der grundschule war besser als text und zeichen. sogar des amerikanische essen ist besser als text und zeichen 1!

grüße vom norden in den süden. ich fühl mich dir sehr verbunden bibi (oder doch: "tschaiki"!?). schließlich trennt uns ja nur der panamakanal. ;)